
3 Fragen an Prof. Eckhard Nagel
„Extra-Kurse zu Klimaschutz sind keine Lösung“
Die Klimakrise verstärkt Gesundheitsrisiken wie extreme Hitze oder neue Krankheiten. Wie wir uns darauf besser vorbereiten können, erforscht der Mediziner und Public-Health Experte Prof. Eckhard Nagel. Im Interview erklärt er, warum er wenig von Extra-Kursen zum Thema Klimaschutz hält und wie wir stattdessen das Thema Nachhaltigkeit in unseren Alltag integrieren sollten.
Interview: Tilmann Eicke
Eckhard Nagel ist Direktor des Instituts für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth. Als Experte für Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Gesundheitswesen ist er WeACT Con-Partner der ersten Stunde.
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Prof. Nagel, Sie bereiten Menschen auf neue gesundheitliche Risiken der Klimakrise vor. Welche Herausforderungen begegnen Ihnen dabei?
Eckhard Nagel: Aktuelle Umfragen zeigen, dass für viele Menschen Klimaschutz an Bedeutung verliert – obwohl Dürren, Hochwasser und Waldbrände zunehmen. Vor ein paar Jahren hatte dieses Thema noch oberste Priorität. Dieser Wandel macht unsere Arbeit schwieriger, die darin besteht, Meschen auch auf die persönlichen Folgen des Klimawandels vorzubereiten.
Viele scheinen aktuell zu hoffen: An uns wird der Kelch schon vorbeigehen. Leider denkt insbesondere meine Generation so, die derzeit an entscheidenden Stellen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft Verantwortung trägt.
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Wie gelingt es Ihnen, diese Herausforderungen zu überwinden?
Am Thema Hitze zeigt sich, dass es auch anders geht. In dem Feld haben wir in den letzten beiden Jahren erstaunliche Fortschritte gemacht. Mit gut koordinierten Kampagnen haben wir Aufmerksamkeit für das Thema geschaffen. In vielen Städten und Gemeinden erarbeiten derzeit Politik, Verwaltung mit Unterstützung der Wissenschaft Hitzeschutzpläne. Geholfen hat, dass sich unter dem Thema Hitze alle etwas vorstellen können: Wenn es sehr heiß ist, will man nicht rausgehen, kann sich schlechter konzentrieren und hat starken Durst. Eine Herausforderung bleibt aber, die beim Thema Hitze gewonnene Sensibilität auch auf den Bereich Klimaschutz zu übertragen.
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Was können wir als Gesellschaft von Ihrer Arbeit lernen?
Wir haben gelernt, dass wir das Thema Nachhaltigkeit anders in unseren Alltag integrieren müssen, als wir das bisher getan haben. An Schulen, Universitäten oder Ausbildungszentren haben wir in den letzten Jahren viele Extra-Kurse zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz angeboten. Das ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es führt dazu, dass viele Menschen diese Themen nicht als alltäglichen Bestandteil ihres eigenen Lebens wahrnehmen, sondern als davon getrennt. Extra-Kurse zu Klimaschutz sind deshalb nicht die Lösung.
Eine aktuelle mit dem Deutschen Studienpreis ausgezeichnete Forschungsarbeit macht einen besseren Vorschlag. Der Autor, Stephan Nagel, untersucht, wie sich das Thema Nachhaltigkeit in die berufliche Bildung integrieren lässt. Ein Beispiel, das er dabei anführt, sind Druckluftleitungen, die in vielen Unternehmen eingesetzt werden. Normalerweise bringt man den Auszubildenden bei, dass diese Leitungen in Stand gehalten werden müssen, weil sonst deren Funktionstüchtigkeit eingeschränkt ist oder unnötige Kosten entstehen. Man könnte ihnen aber auch sagen: Wenn ihr eine drei Millimeter große Leckage repariert, vermeidet ihr in einem Jahr mehr CO2-Ausstoß als ein durchschnittlicher Mensch in Deutschland in einem Jahr verursacht.
Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz anders in unseren Alltag integriert werden können als über immer neue Katastrophenmeldungen. Nachhaltigkeit sollte mit der konkreten Erfahrung verbunden sein, dass jede und jeder Einzelne etwas bewirken kann. Dann macht das Eintreten für Nachhaltigkeit Freude und fühlt sich gut an.
Prof. Dr. mult. Eckhard Nagel ist Transplantationschirurg und Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth, wo er unter anderem den Studiengang „Klima, Umwelt und Gesundheit“ initiiert hat. Aktuell ist er mitverantwortlich für den Aufbau der Medizinischen Universität Lausitz. Auf der WeACT Con 2025 wird er einen Vortrag zur Bedeutung des Klimaschutzes im deutschen Gesundheitswesen halten.