
Gesundheit bei der COP29
„Meine niedrigen Erwartungen wurden untertroffen“
Welche Rolle spielen Gesundheitsthemen bei der Weltklimakonferenz? Ein Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Dr. Max Jungmann, der vor Ort mit dabei war.
Interview: WeACT Con
Max Jungmann leitet die Nachhaltigkeits-Strategieberatung Moventum Novum, die ESG Compliance-Beratung FALK Momentum und das Heidelberg Center for the Environment der Universität Heidelberg. Zu seinen Schwerpunktthemen zählen Nachhaltigkeit und Gesundheitspolitik und die Frage, warum die Politik wider besseren Wissens oft nicht handelt.
1
Herr Jungmann, Sie haben die Klimakonferenz vor Ort in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku beobachtet. Welche Erwartungen hatten Sie?
Max Jungmann: Meine Erwartungen waren sehr niedrig. Aserbaidschan profitiert wirtschaftlich enorm von der Förderung fossiler Brennstoffe. Gleichzeitig hatte das Land die Präsidentschaft der COP 29 inne. Das stimmte schon von vornherein nicht besonders optimistisch. Dazu kam: Medial standen insbesondere die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten sowie die Präsidentschaftswahl in den USA im Fokus. Das Ergebnis der Konferenz war dann allerdings noch enttäuschender als erwartet.
2
Was hat Sie besonders enttäuscht?
Der ehemalige EU-Klimaschutzkommissar Frans Timmermanns hatte großartige Arbeit geleistet, sein Nachfolger Wopke Hoekstra konnte trotz seines Engagements in seiner kurzen Amtszeit bislang nicht dieselbe Wirkung erzielen. Die deutsche Regierung war durch die Regierungskrise kaum vertreten, und auch die USA waren wegen ihres bevorstehenden Regierungswechsels schwach präsent. Ernüchternd war auch, dass China, Indien und Saudi-Arabien wichtige Initiativen blockierten, trotz der Konflikte zwischen diesen Ländern. China scheint nicht bereit, die führende Rolle der USA zu übernehmen. Am Ende ist auf der Konferenz kein wesentlicher Beschluss gefasst worden.
3
Was ist im Bereich Gesundheit passiert?
Die Global Climate & Health Alliance (GCHA) spielt hier eine Schlüsselrolle. Sie will die drohenden Klimaschäden im Gesundheitssektor begrenzen und dessen Emissionen reduzieren. Sie überwacht außerdem, in welchen Themenbereichen Gesundheit auftaucht – mit dem Ziel, Gesundheit in allen Politikfeldern mitzudenken.
4
Wie nimmt die GCHA Einfluss?
Beschlüsse der Weltklimakonferenz werden einstimmig beschlossen. Auch kleinere Staaten können deshalb jeden Beschluss verhindern. Häufig sind es kleinere und weniger mächtige Staaten, deren Gesundheitssysteme vom Klimawandel besonders betroffen sind. Die Strategie der GCHA zielt darauf ab, mit der Unterstützung dieser Staaten das Thema Gesundheit in die Verhandlungen einzubringen.
5
Gibt es etwas, das Ihnen Hoffnung macht?
Immer mehr Akteure begreifen, dass der Klimawandel die größte Gesundheitskrise unserer Zeit ist. Die Staaten haben sich außerdem darauf geeinigt, dass es eine digitale Plattform für den Austausch zu gut funktionierenden Maßnahmen geben soll. Das ist eine sehr vielversprechende Initiative.
6
Was sollte als nächstes passieren?
Wir müssen bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen schneller werden. Notwendig ist, was wir in der Politikwissenschaft polyzentrische Governance nennen –Akteure auf allen Ebenen müssen gleichzeitig aktiv werden, damit sich etwas ändert. Also zum Beispiel die EU mit ihrem Green Deal, aber auch Städte, Unternehmen und bürgerschaftliche Initiativen. Wenn beispielsweise ein Krankenhaus Lieferanten nach Nachhaltigkeitskriterien auswählen möchte, funktioniert das nur, wenn sich auch die gesamte Lieferkette und der Rechtsrahmen verändern. Wenn viele an einem Strang ziehen, dann gibt es Hoffnung. Deshalb freue ich mich auch sehr auf die kommende WeACT Con, weil hier ganz unterschiedliche Leute aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenkommen. Gerade wenn die „große Politik“ scheitert, ist es umso wichtiger, dass wir auf anderen Ebenen vorankommen – und dafür ist die WeACt Con genau der richtige Ort.